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27.Februar 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde

Die Gemeindeversammlung am 18. Januar 2009

Die Fotografen hätten sich die Mühe sparen können und die Bilder vom letzten oder vorletzten Jahr nehmen können. Die Gemeindeversammlung 2009 war die Blaupause aller vorherigen – die selben Gesichter, die selben Fragen. Die Besucherzahl war auf historischem Tiefststand, die Zahl der Repräsentanten (es fehlten 4) auf historischem Höchststand. Und jedes Jahr spekulieren wir an dieser Stelle darüber, warum so wenig Mitglieder die Gelegenheit nutzen, ihren gewählten Vertretern auf den Zahn zu fühlen. Für 2009 mutmaßte ein Mitarbeiter: »Weil diesmal kein Blut fließt«. Das war auch der Tenor vieler Wortmeldungen, in denen sich die Sprecher dafür bedankten, dass die RV ihre Arbeit mache und sich Repräsentanten und Vorstandsmitglieder nicht wie bei früheren Vorständen öffentlich bekriegen, sondern konstruktiv miteinander arbeiten würden. Auch die Zuarbeit der Abteilungen war mehrfach Gegenstand des Lobs. Die Versammlung war gut vorbereitet, auf lange Vorträge konnte verzichtet werden, da die Vorstandsmitglieder die Eckpunkte ihrer Arbeit bereits in einer Beilage des Januar-jb dargelegt hatten – Sparmaßnahmen zur Erzielung eines ausgeglichenen Haushalts, strukturelle Defizite der Gemeindefinanzen, Internet- Auftritt, die Arbeit der Klubs, Differenzen mit dem Vertrauensrat. Ergänzt wurde aus aktuellem Anlass, dass die Kaschrut (die derzeit neu in der Verantwortung Rabbiner Yaakubovs liegt) in Berlin »weiterhin hundertprozentig gewährleistet« sei. Die Kaschrut könne auch nicht für alle Zeiten von einer einzigen Person abhängig gemacht werden, wie es zweieinhalb Jahre lang der Fall war.

Gemeindeversammlung 2009  Foto: Margrit SchmidtGemeindeversammlung 2009  Foto: Margrit SchmidtGemeindeversammlung 2009  Foto: Margrit SchmidtGemeindeversammlung 2009  Foto: Margrit SchmidtGemeindeversammlung 2009  Foto: Margrit SchmidtGemeindeversammlung 2009  Foto: Margrit Schmidt

Dann war die Fragerunde eröffnet. Neu war die große Uhr, die an die Wand projiziert mitlief, um die Fragesteller daran zu erinnern, dass ihre Beiträge nicht länger als drei Minuten sein sollten. Ein netter Versuch. Nach drei Stunden musste Schluss gemacht werden, der Saal wurde anderweitig gebraucht. Zuvor wollte jemand ein Atelier von der Gemeinde haben und der nächste ein Denkmal. Von breiterem Interesse waren die Fragen nach einem liberalen Gemeinderabbiner für die Pestalozzi- und die Rykestraße oder nach subventioniertem Koscherfleisch. Den substantiellsten Beitrag lieferte Ilan Mor, der Gesandte Israels, der über den Waffenstillstand im Gazakonflikt, der in der Nacht beschlossen worden war, berichtete. Er erläuterte die Entscheidung der Regierung, »nicht mehr militärisch gegen die Hamas- Terroristen vorzugehen«. Die Infrastruktur der Hamas sei im Wesentlichen zerstört, so dass die Bürger im Süden Israels »wieder so leben können wie die Bürger in Berlin, München oder Freiburg«. Mor nannte den Besuch von Angela Merkel im Nahen Osten sehr wichtig, auch in Bezug auf das Problem des Waffenschmuggels. Dies sei jetzt die wichtigste Aufgabe: zusammen mit Ägypten den Waffenschmuggel aus arabischen Ländern und dem Iran zu verhindern. Und, so Mor weiter: »Wir haben etwas gegen Terroristen; wir haben nichts gegen die Menschen in Gaza. Es ist unsere Verantwortung als Demokraten und Juden, die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern – zusammen mit Ägypten und mit Europa, nicht mit der Hamas.« Israel sei realistisch genug zu wissen, dass es gegen Terror keine militärische Lösung gebe. »Wir werden politisch verhandeln müssen, mit den gemäßigten Kräften um Abu Masen«. Nachdem die Sicherheitsfrage gelöst sei, gehe es auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinaus, »es gibt keine Alternative«. Der Gesandte rief dazu auf, nach Israel zu fahren und für Notfallprogramme zu spenden. Der Keren Hayesod hatte zu diesem Zweck einen Tisch am Eingang aufgebaut.

Judith Kessler