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Der Terror hat keine Religion

03.Oktober 2008 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde

Amerikaner und Berliner gedachten der Opfer des 11. September 2001.

Die amerikanische Botschaft und die Jüdische Gemeinde zu Berlin gedachten am 11. September im Centrum Judaicum der Opfer des 11. September 2001 in New York und Washington, an dem fast 3000 Menschen durch islamistische Anschläge starben.
Der Direktor der Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum, Hermann Simon, begrüßte 200 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion sowie Familienangehörige der zwölf deutschen Opfer in seinem Haus. US-Botschafter Willam R. Timken dankte ihm und wies darauf hin, dass bislang jedes Jahr eine andere Gemeinde – mal die amerikanische Kirche, mal ein muslimisches Gemeindezentrum – Gastgeber für das Gedenken gewesen sei, denn es wären universelle Werte – Gesundheit, Arbeit, Sicherheit –, um deren gemeinsame Verteidigung es ginge.

Die Geistlichen (v.l.n.r.) Imam Ferid Heider, Reverend Ben Colvet und Rabbinerin Gesa Ederberg sprachen das Gebet; Foto: Nadine Bose

Die Geistlichen (v.l.n.r.) Imam Ferid Heider, Reverend Ben Colvet und Rabbinerin Gesa Ederberg sprachen das Gebet; Foto: Nadine Bose

Damit bezog er sich indirekt auch auf einen Kolumnisten des »Tagesspiegel«, der einige Tage zuvor sich und seine Leser gefragt hatte, was denn den 11. September zu einem »speziell jüdischen Trauertag« mache? Und ob damit nicht Vorurteile zementiert würden – das gemeinsame Gedenken suggeriere, »was Antisemiten und Antiamerikaner gleichermaßen behaupten« würden, nämlich, dass es zwischen Amerika und Israel »eine Art unheilige Allianz zum Nachteil der Araber, gesteuert durch mächtige jüdische Lobbygruppen« gäbe.
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind, ging explizit auf diesen Kommentar ein, der mit »zionistischen Verschwörungstheorien« operiert hätte und einer Verhöhnung der Opfer gleich käme; man sei im Gegenteil stolz darauf, dass die amerikanische Botschaft diesen Ort für die Feier ausgewählt habe und gedenke natürlich nicht amerikanischer oder jüdischer, sondern aller Opfer.
Die Gebete von Geistlichen – Reverend Ben Colvet, Imam Ferid Heider und Rabbinerin Gesa Ederberg – der drei monotheistischen Weltreligionen unterstrichen diesen Anspruch.
Josef Joffe, der Herausgeber der ZEIT, hielt die Hauptrede, in der er die Situation sieben Jahre nach 9/11 einschätzte. Seiner Ansicht nach ist der »globale Krieg gegen den Terror« erfolgreich. Das hätte unter anderem mit dem schnellen Eingreifen der USA in Afghanistan und dem Irak zutun und ließe sich daran ablesen, dass die angekündigte Flut weiterer Anschläge in Europa – bis auf die von Madrid und London – ausgeblieben sei. Stattdessen wäre es in der arabischen Welt zu einer »dramatischen Neuordnung« gekommen, dergestalt, dass sich die arabischen Länder von den Dschihadisten abwendeten und die Zahl der Opfer zurückgegangen sei. Im September 2006 hätte es 2700 Terroropfer im Irak gegeben, im August 2008 wären es nur noch 226 gewesen. Josef Joffe erklärte diesen Rückgang mit stattgefundenen Truppenaufstockungen und dem fehlenden Rückhalt der Terroristen in der Bevölkerung, die – angesichts der unaufhörlichen Gewalt gegen Zivilisten – nun mit westlichen Truppen zusammenarbeite.
Vor allem aber der Imam sprach in seinem Beitrag sehr persönlich über seine Gefühle und dass die Gedenkfeier für ihn einen ganz besonderen Stellenwert habe, da er zum ersten Mal in einer Synagoge sei. Er nutzte die Gelegenheit zu versichern, dass »solch ein Unrecht mit nichts und wieder nichts zu rechtfertigen ist«, dass es »jeglicher Moral widerspricht« und dass »Terror den Werten des Islam diametral entgegen steht«. Der Koran enthalte das Gebot, nicht zu töten und das Leben anderer zu schützen. »Ein Mensch, der sich dem widersetzt, handelt gegen den Islam, auch wenn er sich auf ihn beruft«. »Der Terror hat keine Religion«, unter den Opfern waren auch Muslime und die Moschee im WTC sei wie alles andere dort zerstört worden. Doch habe niemand das Recht, unschuldige Opfer mit unschuldigen Opfern zu vergelten. Er gedenke auch derer, die »im Nachgang der Ereignisse des 11. September überall auf der Welt umgekommen sind«. Die Menschen sollten die »Religion dazu nutzen, Friedensarbeit zu leisten« und »miteinander zu sprechen, anstatt die Waffen sprechen zu lassen«.    
Judith Kessler