Beitragssuche

Datum / Zeitraum:
Beitragsart:
Kategorie:

Ein Fest, das uns an unsere Wurzeln erinnert

01.April 2021 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage

Gedanken von Gemeinderabbiner Boris Ronis zu Lag BaOmer

In der Jüdischen Gemeinde zu Berlin erlebten wir in den letzten Jahren unglaublich tolle Lag BaOmer Fest-Veranstaltungen. Auf einer grünen Wiese im Jüdischen Seniorenzentrum in der Dernburgstraße haben alte und junge Menschen ein Zusammensein zelebriert, das seinesgleichen sucht. Der eigentliche Charakter des 33. Tages der Omerzählung, eine Insel der Freude in einer Zeit der Trauer, schien für jeden Teilnehmer ein Segen zu sein. Leider werden wir auch dieses Jahr kein Lag BaOmer feiern können, wie wir es gewohnt sind – Corona macht uns wieder einmal einen Strich durch die Rechnung.

Generell ist die Omerzeit keine Zeit der Freude. Wir feiern keine Feste, lassen uns nicht die Haare schneiden und feiern keine Hochzeiten, denn aus historischer Sicht waren die Omertage eine Zeit voller Katastrophen für die Kinder Israel. Zwar finden wir keinerlei Hinweise auf die Trauerzeit in der Tora, doch viele traurige Ereignisse haben uns diesen speziellen Zeitraum wählen lassen. So erinnern wir uns unter anderem an den Tod von 24.000 Schülern Rabbi Akiwas, als auch an das blutige Ende des Bar-Kochba-Aufstandes gegen die Römer (132–135 u.Z), an die Zeit der Kreuzzüge (1096–1099) oder an den Aufstand im Warschauer Ghetto.

Doch der 33. Omer im jüdischen Kalender der 18. Ijar, ist ein Festtag, an dem alle diese Einschränkungen nicht gelten. An Lag BaOmer sind Hochzeiten erlaubt. Viele lassen sich auch wieder die Haare schneiden und manche dreijährigen Jungen bekommen sogar ihren ersten Haarschnitt – ein Brauch, der »Abscheren« genannt und auf den Kabbalisten Jitzchak Luria (1534–1572 u.Z) aus Zfat zurückgeführt wird.
Besonders gefeiert wird Lag BaOmer auch in Meron, einer Stadt im nördlichen Israel, die seit dem Mittelalter eine Art Wallfahrtsort geworden ist. Pünktlich zum 18. Ijar, zu Lag BaOmer, versammeln sich dort Tausende Gläubige und singen, tanzten, beten und lernen Tora. Es werden Fackeln angezündet, und Freudengesang erfüllt den Ort. Dies alles geschieht zu Ehren von Rabbiner Schimon bar Jochai, einem Tannaiten aus dem zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Er war ein Schüler von Rabbi Akiwa und verstarb am 18. Ijar – genau an Lag BaOmer. Es werden ihm einige Werke zugeschrieben, unter anderem auch der Sohar, das bedeutendste Werk der Kabbala.
Der feierliche Aspekt des Lag BaOmer-Festes mit seinen Lagerfeuern erschließt sich sowohl in religiösen als auch säkularen jüdischen Kreisen. Besonders in der Diaspora findet er aber einen weiteren Grund – ein Beisammensein, das zu einem wichtigen Bestandteil des jüdischen Jahreszyklus gerechnet wird.
Ein Midrasch will in diesem Zusammenhang noch einmal bekräftigen, wie wichtig dieses Fest ist, und erinnert daran, dass wir am 33. Tag nach dem Auszug aus Ägypten, also an Lag BaOmer, zum ersten Mal Manna, das Himmelsbrot, von Gott erhalten haben. Dieses Brot hatte die Aufgabe, uns zu ernähren, aber uns auch spirituell aus der ägyptischen Knechtschaft herauszuführen.
50 Stufen der Verunreinigung sind uns in unserer Tradition bekannt. Nachdem wir viele Jahrhunderte in Ägypten gelebt haben, wurden wir fast zu einem Teil des ägyptischen Volkes. Das beeinflusste nicht nur physische, sondern auch spirituelle Sichtweisen, den Götzendienst und viele weitere seelische Aspekte unseres Daseins. Unsere Weisen sagen, dass unsere Vorfahren bereits die 49. Stufe erreicht haben, also nicht mehr viel fehlte und wir wären im ägyptischen Volk aufgegangen. Als uns der Ewige aus Ägypten befreit hat, musste Er uns erst wieder zu würdigen Israeliten werden lassen, damit wir Seine Tora empfangen durften.
Darum ist für uns Lag BaOmer nicht nur ein simples Barbecue, sondern ein wichtiges Fest, dass uns an unsere Wurzeln erinnert. Es lässt uns das himmlische Manna wieder geistig aufnehmen und hebt uns als Vorbereitung auf Schawuot auf eine geistige Stufe, damit wir die Tora samt der Zehn Gebote würdig in Empfang nehmen können – und hoffentlich nächstes Jahr wieder in gewohnter Art und Weise in unserer wundervollen Gemeinde feiern dürfen.

 

Ein Fest, das uns an unsere Wurzeln erinnert