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Historische Laubhütten in Berlin

04.Oktober 2008 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage, jüdisches berlin

Zu Sukkot stellt uns Ingolf Herbarth, wissenschaftlicher Mitarbeiter der »Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa« an der TU Braunschweig, Laubhütten vor, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Synagogengemeinden in Berlin errichtet wurden.

Bei der Laubhütte (Sukka) handelt es sich um einen kleinen Kultbau, der nur temporär genutzt und meist aus einfachen Mitteln errichtet wird. Die Errichtung der Laubhütte ist untrennbar mit Sukkot, dem Laubhüttenfest, verbunden. An Sukkot wird das Dankfest des Einbringens der Ernte gefeiert. Zugleich ist das Fest der Erinnerung an den Auszug der Israeliten aus Ägypten gewidmet. Daher das biblische Gebot, während der Sukkottage in einer einfachen Hütte zu wohnen. Die Sukka ist ein Gebäude, das wenigstens zum Aufenthalt während des Laubhüttenfestes dient. Die Hütte darf kein festes Dach besitzen, sondern muss mit Zweigen, Stroh oder Reisig gedeckt sein. Nach dem Fest wird die Laubhütte nicht mehr genutzt, sie wird also wieder abgebaut oder das Dach wird abgenommen. Da es sich zumeist also um eine temporäre und einfache Architektur handelt, ist nachvollziehbar, dass die Errichtung der Laubhütte nicht davon gekennzeichnet ist, dass dem Bauvorhaben eine aufwendige Planungsphase vorausgegangen ist. Dennoch gab es auch Laubhütten, die mit Hilfe von Plänen dokumentiert und errichtet worden sind. Ein internationales Kooperationsprojekt »Bauten jüdischer Gemeinschaften in Berlin bis 1945« der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa (Center for Jewish Art, Jerusalem und TU Braunschweig) und der Stiftung Neue Synagoge Berlin forscht zu diesem Thema. Auf einem Seminar im Centrum Judaicum wurden im Juni erste Ergebnisse präsentiert. Einige Beispiele seien hier vorgestellt.

Ansicht und Schnitt der Laubhütte Fasanenstraße. Umzeichnung nach Plänen aus dem Jahr 1912. © Landesarchiv Berlin/Ingolf HerbarthAnsicht und Schnitt der Laubhütte Levetzowstraße. Umzeichnung nach Plänen aus den Jahren 1914 © Landesarchiv Berlin/Ingolf HerbarthAnsichten der Laubhütte Prinzregentenstraße. Umzeichnung nach Plänen aus den Jahren 1929/30 © Landesarchiv Berlin/Ingolf Herbarth

Sukka der Synagoge Fasanenstraße
Mit dem Bau der großen Synagogen kurz vor dem Ersten Weltkrieg entstanden in Berlin Gebäudeensembles, die nicht nur Synagogen im Bauprogramm hatten, sondern auch Schulgebäude und entsprechende Verwaltungsräume. Der Baukomplex der Synagoge in der Fasanenstraße bestand aus der Synagoge und einem Verwaltungs- und Schulgebäude. Dieser Entwurf stammte von Ehrenfried Hessel aus dem Jahr 1907. Nun beinhaltete das Raumprogramm dieser Gesamtanlage nicht von Anfang an eine Laubhütte, aber unmittelbar vor der Einweihung der Synagoge 1912 wurde eine solche im nordöstlichen Grundstückszwickel geplant und errichtet. Entworfen hatte sie Regierungsbaumeister Alexander Beer (1873-1943), der später Gemeindebaumeister der Jüdischen Gemeinde zu Berlin werden sollte.
Die Laubhütte war als kleiner Bau konzipiert worden: So wurde in eine Grundstücksecke eine Wand gestellt, die mit einem darüber gelegten Dach aus Segeltuch den Raum der Laubhütte bildete. Beer hatte hier ein Wandsystem aus »einzelnen Holztafeln« entwickelt, das für die Errichtung der Laubhütte nur an der dafür vorgesehenen Stelle aufgestellt werden musste. Die Segeltuchbedachung konnte auf der dem Eingang gegenüberliegenden Wand befindlichen Rolle aufgerollt werden. Da die Laubhütte nur temporär aufgestellt wurde, lautet eine Planerläuterung: »Die Laubhütte […] kommt jährlich nur einmal während der hohen Feiertage zur Aufstellung.«


Sukka der Synagoge Levetzowstraße
Der Gemeindearchitekt Johann Hoeniger (1850–1913) entwarf 1912 für das Eckgrundstück Levetzow-/Jagowstraße eine Synagoge und eine Religionsschule. Dieses Bauensemble wurde von 1912 bis 1914 errichtet. Im Dezember 1913 bat der Vorstand der Jüdischen Gemeinde das Königliche Polizei-Präsidium um die Erlaubnis, eine Laubhütte auf dem Hof des Synagogenneubaues errichten zu dürfen, die dann auch im April 1914 fertig gestellt wurde.
Die Sukka stand mittig an der Hofmauer des großen Hofes. Das Gebäude war als eine einfache Balken-Stütz-Konstruktion konzipiert worden. Die Wände bestanden aus einer Konstruktion von schmalen senkrechten und waagerechten Profilen. Die Länge der Laubhütte ergab sich aus dem Abstand der Mauerpfeiler der Hofmauer. Das Dach bestand aus einer Konstruktion von Latten, die ein »wasserdichtes Segeltuch« zu tragen hatten. Das Segeltuch konnte – so wie in der Fasanenstraße – auf eine Rolle aufgerollt werden. Die Längsfassade der Laubhütte war mit drei Fenstern symmetrisch gegliedert; die Eingangstüren befanden sich in den Querseiten.


Sukka der Synagoge Prinzregentenstraße
Die Synagoge Prinzregentenstraße wurde von 1928 bis 1930 nach einem Entwurf des Gemeindebaumeisters Alexander Beer errichtet – sie blieb das einzige Synagogengebäude in Berlin, das nach dem I. Weltkrieg errichtet wurde.
Pläne aus den Jahren 1929/30 zeigen neben der Gestaltung der Hofmauer auch eine Laubhütte. Verantwortlich hierfür war ebenfalls Gemeindebaumeister Beer. Die nordöstliche Grundstücksecke war als Ort für die Laubhütte vorgesehen. Die horizontale Profilierung der Mauer wurde auf dieses Gebäude übertragen und band es so in den architektonischen Gesamtkontext mit ein: Synagoge, Hof, Hofmauer und Sukka wurden so gestalterisch zu einer Einheit verbunden.
Auf die Querseiten der Laubhütte wurden Dreiecksgiebel gesetzt, zwischen denen sich das Dach aufspannen konnte. Die Laubhütte hatte zwei Eingänge: der eine befand sich in der Giebelseite und wurde von zwei Fenstern flankiert, der andere befand sich als nördlichste Öffnung neben drei Fenstern in der Längsseite. Es handelte sich hier um eine dauerhaft aufgestellte Laubhütte.
Selbstverständlich kann man auch jetzt wieder Laubhütten in Berlin finden, die jedes Jahr zu Sukkot errichtet werden. An ihnen ist deutlich zu erkennen, dass die Grundgestalt der Laubhütte, deren Aussehen und Ausstattung durch die religiösen Regeln genau beschrieben wird, sich bis heute nicht geändert hat.