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Kein innerjüdisches Problem

28.April 2010 | Pressemitteilung | Gemeinde

Am 27. April hatten wir drei Vertreter von Berliner Zeitungen zu einer Podiumsdiskussion eingeladen: Thomas Schmid, Herausgeber der Tageszeitung DIE WELT,  Ines Pohl, Chefredakteurin der Tageszeitung taz und Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur der Tageszeitung Der Tagesspiegel, Moderator war Thierry Chervel, Chefredakteur des Onlinemagazins „Perlentaucher“.

Thema des Abends war die Frage nach dem Umgang deutscher Medien mit Erinnerungskultur, Israelkritik und Antisemitismus, Aufhänger ein in der taz erschienener Kommentar mit dem Titel: „Pilgerfahrt nach Auschwitz“. Die jüdische, in Israel geborene Autorin Iris Hefets behauptet darin, Israel instrumentalisiere die Schoa zur Legitimierung seiner menschenrechtsfeindlichen Politik und inszeniere so einen „Schoa-Kult“. Weiter werde diese "Religion mit festen Ritualen" auch in Deutschland dazu missbraucht, Kritiker israelischer Politik mundtot zu machen. Als Beispiel dafür führt die Autorin das Schicksal Norman Finkelsteins auf, bekannt für sein umstrittenes Buch "Die Holocaust-Industrie", der vor kurzem in Berlin Absagen von Veranstaltungsorten in Kirchen und Stiftungen erhielt.

Aber weder Norman Finkelstein noch Iris Hefets sollten Thema des Abends sein und nicht die Frage, wie die jüdische Mehrheit mit den Extremisten in den eigenen Reihen umgeht oder umgehen sollte. Es ging um die Frage, warum in der deutschen Öffentlichkeit immer wieder jüdische Menschen mit wenig repräsentativen Meinungen zu Wort kommen, mit Israelkritik in einer Sprache, die die Grenzen der Geschmacklosigkeit überschreitet, und die bisweilen nachweisbar antisemitische Thesen  vertreten. Gefragt werden sollten die anwesenden Chefredakteure und Herausgeber, wie sie diese Tatsache begründen. Auch Frau Pohl war selbstverständlich das Thema der Veranstaltung bekannt und ihr Erscheinen wurde ausdrücklich begrüßt.

Aber schon Tage vor der Veranstaltung tauchten Briefe und Pressemitteilungen im Internet auf, die hier ein „Tribunal“ gegen die Autorin Iris Hefets witterten. Nach dem Grußwort der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind, sprangen dann also etwa 20 Leute auf und hielten vorbereitete Plakate mit Solidaritätsbekundungen zu Iris Hefets hoch. Die Chefredakteurin der taz solidarisierte sich nun „spontan“ mit diesen Störern und schloss sich der Forderung an, man müsse die Autorin des zitierten Beitrages aufs Podium holen. Das wurde abgelehnt mit der Begründung, dass es nicht nötig sei, zu einem veröffentlichten Text den Autor einzuladen und seine Thesen wiederholen zu lassen.

Es ist aber skandalös, dass ein Podiumsgast den Veranstalter mit der Aussage erpresst, entweder wird getan, was die Störer tun oder ich gehe. Frau Pohl tat genau das und verließ  den Saal.

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin stellt hiermit fest, dass diese Veranstaltung von Anfang an mit einem Saalmikrofon ausgestattet war. Es war vorgesehen, dass sich jeder aus dem Publikum, der es wollte, zu Wort melden konnte. Beim Einlass wurde nicht kontrolliert, wer teilnehmen wollte. Frau Hefets hätte also problemlos im Saal sitzen und sich zu Wort melden können. Wir stellen fest, dass es wohl vielmehr so ist, dass die Störer auf ihre eigene Propaganda hereingefallen sind. Sie hätten und haben zum Teil sagen können, was sie sagen wollten. Es wurde von uns als den Veranstaltern und von den Diskutanten auf dem Podium sogar erwartet, dass es kontrovers zugehen wird.

Nicht erwartet haben wir diese destruktive und aggressive Form der Störung und schon gar nicht die Solidarisierung und den stillosen Abgang der Chefredakteurin einer Tageszeitung.

Wir danken daher Herrn Casdorff, Herrn Schmid und Herrn Chervel dafür, die Diskussion trotzdem geführt zu haben. Ihre nachdenklichen und auch tiefgründigen Bemerkungen haben es vermocht, das Thema des Abends den weiterhin anwesenden ca. 300 Gästen zu vermitteln und ihnen das Gefühl zu geben, nicht umsonst gekommen zu sein.

 

 

 

Kein innerjüdisches Problem