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Mit dem Herzen, nicht mit dem Kopf

01.Oktober 2022 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage

Gedanken zu Simchat Tora von Rabbiner Reuven Yaacobov

Das Fest, das unmittelbar auf Sukkot folgt, nennen wir Schmini Azeret und Simchat Tora (der 22. des Monats Tischri, in der Diaspora der 22. und 23. Tischri, fallen im Jahr 2022 auf den 17./18. Oktober).

In der Diaspora, wo es immer zwei Feiertage gibt, ist der erste Tag dem Fest Schmini Azeret und dem Regengebet gewidmet. Der zweite Tag gehört ganz dem Fest Simchat Tora: Wir beenden den Zyklus der Wochenabschnittlesungen, der uns im Laufe eines Jahres begleitet hat. In Israel dauern diese Feste zusammen nur einen Tag, so dass Simchat Tora mit Schmini Azeret zusammenfällt.
Simchat Tora heißt übersetzt »Torafreude«. Als letzter unserer herbstlichen Feiertage ist er dem Ende der jährlichen Vorlesung der Tora in der Synagoge gewidmet. Die Juden lesen während des ganzen Jahres aus der Tora, die in Wochenabschnitte unterteilt ist. Die Zahl der Wochenabschnitte entspricht der Zahl der Wochen im Jahr. An Simchat Tora endet dieser Zyklus und beginnt sogleich von Neuem. An diesem Tag wird der letzte Wochenabschnitt gelesen; der Mensch, der ihn vorliest, wird Chatan Tora – der Bräutigam der Tora – genannt. Dann beginnen wir wieder mit dem ersten Abschnitt, der vom Chatan Bereschit, dem Bräutigam der Bereschit, vorgelesen wird. Die Juden lieben ihre Tora wie ein Bräutigam seine Braut liebt. An diesem Fest werden alle Männer, die in der Synagoge anwesend sind, unbedingt zum Lesen aus der Tora aufgerufen.
Die Besonderheit dieses Festes liegt darin, dass wir uns in der Synagoge versammeln, um zu singen, zu tanzen und uns darüber zu freuen, dass G-tt dem jüdischen Volk die Tora gegeben hat. An Simchat Tora findet eine feierliche Prozession statt, die man Hakafot nennt. Alle Torarollen, die es in der Synagoge gibt, werden hervorgeholt und unter Singen und Tanzen sieben mal um die Bima getragen (als Bima wird die Erhöhung im Zentrum der Synagoge bezeichnet). Die Männer tragen die Torarollen abwechselnd, jeder ist bemüht, seine Liebe und seine Verehrung für die Tora zum Ausdruck zu bringen, die Rolle zu küssen und zu berühren.
Dem Fest Simchat Tora liegt unsere Freude an der Tora zu Grunde. Der Tanz ist ein Ausdruck dieser Freude. Zum Tanzen werden sogar die nicht koscheren Torarollen herausgeholt, also die, aus welchen wir in der Synagoge nicht mehr lesen dürfen. Warum ist das so? Weil wir an Simchat Tora unsere Tora nicht studieren, uns nicht in sie vertiefen, sondern uns einfach an ihr erfreuen! Simchat Tora ist ein Fest, das wir nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen feiern. Es sagt viel aus, dass die Tora während des Tanzes nicht geöffnet wird: Unser Verständnis der Tora kann unterschiedlich sein, der eine studiert sie sein ganzes Leben lang, der andere hat sie noch nie aufgeschlagen. Wie dem auch sei, es ist unsere Tora. Sie gehört Dir. Wenn Du willst, kannst Du die Tora nehmen und mit ihr tanzen!
Wer die ungestüme, überschwängliche Freude noch nie erlebt hat, die alle Anwesenden in der Synagoge an diesem Tag ergreift, der weiß nicht, was wahre Freude bedeutet!
Ihre Tora erwartet Sie, die Türen der Synagogen sind für Sie geöffnet!
Ich wünsche Ihnen ein schönes Simchat Tora!

Mit dem Herzen, nicht mit dem Kopf