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Offener Brief an Stephan Kramer

20.Februar 2014 | Redaktioneller Beitrag | Medien, Gemeinde, Politik, Gesellschaft

 

Sehr geehrter Herr Kramer,

 

zunächst bedanke ich mich für Ihr Schreiben vom 17.02.2014. Erlauben Sie mir, vorab mein Erstaunen darüber kund zu tun, dass dieses Schreiben bereits vor dem Eingang bei mir in der Presse kursierte. Bitte unterlassen Sie das. Ich möchte nicht erneut in die Bredouille gelangen, ein solches Verhalten Ihrerseits vor Journalisten rechtfertigen zu müssen.

Dieses Verhalten lässt darauf schließen, dass Sie mit Ihrem Schreiben eine öffentliche Diskussion anstoßen wollen. Ihrem Wunsch entsprechend verfasse ich meine Antwort daher als offenen Brief.

Ihre Vorgehensweise sowie die offensichtliche starke emotionale Erregung, welche Ihren Ausführungen innewohnt, verwundert im ersten Moment. Diese Verwunderung schwindet jedoch, wenn man den Medienberichten über Ihre Person Glauben schenken möchte. Diesen lässt sich nämlich entnehmen, dass Sie nach Ihrem Ausscheiden aus dem Zentralrat der Juden in Deutschland im Zuge der Neuwahlinitiative als einer der Anwärter für den Posten des Gemeindevorsitzenden gehandelt wurden. Ihre Enttäuschung im Zusammenhang mit dem Scheitern des Neuwahlbegehrens ist also menschlich nachvollziehbar.

Nichtsdestotrotz berechtigt aus meiner Sicht Ihre persönliche Enttäuschung Sie nicht dazu, falsche Behauptungen in Bezug auf die Frage der Prüfung der Neuwahlanträge zu verbreiten.

Ihr Vortrag geht leider sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fehl.

Im Einzelnen:

§ 8 der Satzung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin regelt die Prüfungspflicht des Vorsitzenden der Repräsentantenversammlung nach der Einreichung der Neuwahlanträge. Die Prüfung hat innerhalb von 60 Tagen zu erfolgen.

Eine Regelung zur Überprüfung durch einen Wahlausschuss, wie Sie sich diese offensichtlich herbeiwünschen, existiert weder in der Satzung noch in den nachrangigen Ordnungen der Gemeinde. Die von Ihnen erwähnten Kommunalwahlgesetze sind auf die inneren Vorgänge der JGzB nicht anwendbar.

Sollten Ihnen die geltenden Vorschriften der Satzung der JGzB änderungsbedürftig erscheinen, steht Ihnen der Weg offen, sich bei der nächsten Wahl zur Repräsentantenversammlung als Kandidat aufstellen zu lassen. Im Falle Ihrer Berufung in die RV können Sie sodann einen entsprechenden Änderungsantrag stellen und mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit eine Satzungsänderung bewirken.

In dem vorliegenden Fall sind wir jedoch alle verpflichtet, uns an die geltenden Vorschriften zu halten, was auch geschehen ist. Zu den genauen Abläufen des Prüfungsverfahrens verweise ich auf die aktuellen Veröffentlichungen auf der Internetseite der JGzB.

Ihre pauschalen Vorwürfe der fehlenden Objektivität muss ich entschieden zurückweisen. Leider fehlen Ihren Ausführungen konkrete Anhaltspunkte, welche einen solchen Vorwurf indizieren würden. Sollten Sie konkrete Umstände beschreiben, welche Sie zu Ihrer Vermutung veranlasst haben, bin ich gerne bereit, diese offen auszudiskutieren.

Solange Sie Ihre Beweggründe jedoch im Verborgenen lassen, möchte ich Sie hiermit nachdrücklich bitten, von derartigen pauschalen Unterstellungen gegen meine Person trotz Ihres Ärgers über das Scheitern des Neuwahlbegehrens abzusehen.

Ungeachtet der notariell beurkundeten Tatsache, dass lediglich 488 Gemeindemitglieder ihre Unterschrift auf dem Neuwahlantrag bestätigt haben und einige Personen ausdrücklich schriftlich angaben, niemals für ein Neuwahlbegehren unterschrieben zu haben, sprechen Sie unverständlicherweise von einem „eindeutigen Wunsch von fast 2000 Mitgliedern“.

Vor dem Hintergrund, dass im Zuge der Neuwahlinitiative offenbar von einer Vielzahl erheblicher Rechtsverstöße ausgegangen werden kann, mutet es seltsam an, wenn Sie von Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien im Zusammenhang mit einer Überprüfung der eingereichten Unterschriftenzettel sprechen. Ich bezweifele doch sehr, dass Ihnen daran gelegen sein könnte, dem Neuwahlbegehren „um jeden Preis“, also auch unter Hinzuaddierung durch etwaige Urkundenfälschungen erlangter Unterschriften zum Erfolg zu verhelfen. Vielmehr dürfte es im Sinne aller Gemeindemitglieder sein, die eingereichten Antragszettel in einem offenen, transparenten Verfahren zu überprüfen und solche gravierenden strafrechtlichen Sachverhalte aufzudecken und zu ahnden.

Mithin appelliere ich hiermit an Sie sowie Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter, ihren Standpunkt trotz der herben Enttäuschung über das Scheitern der Initiative zu überdenken und die weitere Kommunikation auf einer sachlichen Ebene zu gestalten.

 

Mit freundlichen Grüßen

Michael Rosenzweig

Vorsitzender der Repräsentantenversammlung

Offener Brief an Stephan Kramer