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Rassisten auf dem Rasen

01.November 2008 | Beiträge – jüdisches berlin | Politik

Im September veranstalteten die Jüdische Gemeinde und das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus zusammen mit dem TuS Makkabi Berlin und dem Berliner Fußballverband einen Abend zum Thema Antisemitismus und Rassismus im Fußballstadion

»Wenn Fußball keinen Spaß mehr macht, sondern zur Bedrohung wird« lautet das Motto der Veranstaltung – und der große Saal im Centrum Judaicum ist gut gefüllt (auffallend sind die vielen jungen Menschen), als Lala Süsskind, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, einleitend feststellt: »Antisemitische und rassistische Angriffe sind an der Tagesordnung auf deutschen Fußballplätzen – sowohl in den Profi-Ligen als auch auf regionaler Ebene. Denn in den unteren Ligen schauen Schiedsrichter immer wieder über antisemitische und rassistische Anfeindungen hinweg oder sie erweisen sich gar als parteiisch für die angreifenden Mannschaften.«
Einige der Ursachen für diese Entwicklung erläutert Gordian Meyer-Plath vom Brandenburgischen Verfassungsschutz in seinem Vortrag. Als Leiter der Abteilung für politischen Extremismus hat er schon seit längerem ein Auge auf die Neonazi-Szene in Brandenburg, die sich den Fußball immer wieder zu Nutze macht, um ihr rassistisches und antisemitisches Weltbild zu verbreiten und den Nationalsozialismus zu verherrlichen. Dies geschehe nicht nur durch antisemitische Transparente oder rassistische Gesänge; Rechtsextremisten würden sich den Fußball auch subtiler zu Nutze machen.

Rassisten auf dem Rasen

Dass Antisemitismus und Rassismus auch im Berliner Regionalfußball an der Tagesordnung sind, verdeutlicht die Podiumsdiskussion mit Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudio Offenberg, Makkabi-Fußball-Trainer, Gerd Liesegang, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Fußballverbands und Gordian Meyer-Plath, die von Matthias Müller vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus moderiert wurde.
»Regelmäßig erhalte ich E-Mails von Türkiyemspor, in denen steht, dass das letzte Spiel wieder besonders schlimm gewesen sei und sie mich bitten, beim nächsten Spiel vorbei zu kommen, um der Situation durch meine Anwesenheit wenigstens etwas entgegen zu setzen«, berichtet Pau. Sie rief auch das Publikum dazu auf, betroffene Vereine wie Türkiyemspor oder TuS Makkabi Berlin durch Besuche ihrer Spiele zu unterstützen. Claudio Offenberg bestätigte die Wichtigkeit der Anwesenheit von Unterstützern. Der Sportverein Makkabi Berlin sei ständig mit antisemitischen und rassistischen Situationen konfrontiert und damit, dass Spieler beleidigt werden oder Schiedsrichter wegsehen.
Erst sehr zögerlich und schrittweise beginnt der Berliner Fußballverband dagegen vorzugehen. Mittlerweile sind rechtsextreme Plakate, Gesänge und Pöbeleien auf den Berliner Fußballplätzen verboten. Gerd Liesegang berichtet über das neue Vorhaben seines Verbandes gegen Rechts: In Zusammenarbeit mit dem Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus sollen nun zum Beispiel Schiedsrichter/innen und Trainer/innen des Verbandes geschult werden – immerhin hat der Berliner Senat für dieses Programm 80 000 Euro zur Verfügung gestellt. Allerdings sei, so Liesegang, diese Art der Intervention ein weiter Weg: Rund 3000 Amateurfußballmannschaften gibt es in Berlin; der Verband hat allein 1100 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter und jedes Wochenende finden 1500 Spiele statt.
Der Abend endet mit einer engagierten Diskussion zwischen Podium und Publikum. Vor allem die Worte Claudio Offenbergs und die Publikumsbeiträge von Cetin Özaydin, Fanbeauftragter von Türkiyemspor, und Martin Endemanns vom Bündnis aktiver Fußballfans unterstrichen den Eindruck, dass – bis die Maßnahmen des Fußballverbandes greifen – sich die betroffenen Fußballmannschaften wohl selbst um ihr Wohlergehen kümmern und darauf setzen müssen, dass es einige engagierte Fußballfans gibt, die sie in brenzligen Situation unterstützen.   

Anna Fridrich