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Reine und gekochte Weine
01.September 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur
Roman Kovar hat uns erklärt, was koscherer Wein ist und warum er ihn anderen Weinen vorzieht
Gepriesen seist du, Gott unser Herr, Herrscher des Himmels und der Erde, der du die Frucht der Rebe geschaffen hast...
Roman Kovar ist gelernter Jurist und Verleger von Judaica und Raritäten im oberbayrischen Egling, seit über zehn Jahren auch Importeur koscherer Weine.
Beim Limmud-Tag 2009 in München erklärte der Weinliebhaber und Gourmet, was einen Wein koscher macht und warum er keine anderen Weine mehr trinkt. Wir haben aufmerksam zugehört.
Dass Wein ein besonderer »Stoff« ist, lässt sich schon daran ablesen, dass er, neben Brot, das einzige Lebensmittel in der Bibel ist, das mit einer Bracha bedacht wird (3. Buch Moses, Kap. 11, 44–45). Im Althebräischen bedeutete »koscher« in Bezug auf Wein in erster Linie, dass er für rituelle Zwecke geeignet ist und nicht mit heidnischem Kult in Berührung kam.
Was aber ist heute mit »koscherem« Wein gemeint, wann ist ein Wein koscher?
Zunächst einmal: Werden neue Rebstöcke angelegt, so dürfen die Trauben erst ab dem vierten Jahr geerntet werden und ab dann ist jedes siebte Jahr ein Schabbatjahr, in dem nicht geerntet wird und die Rebstöcke sich nutritiv und organisch erholen. Zwischen den Rebstöcken dürfen auch keine anderen Rebsorten oder andere Pflanzenarten angebaut werden (üblicherweise Rosen).
Weiterhin darf nur organisch gedüngt werden und ab zwei Monate vor der Ernte gar nicht mehr. Bei der Schädlingsbekämpfung dürfen nur mechanische oder biologische Mittel eingesetzt werden. Der Winzer lässt die Tierchen (Weinbergschnecken) absammeln oder die Weinberge zum Beispiel mit einem Sud aus Pfeifentabak oder Kupfer/Sulfit besprühen, um sie fernzuhalten.
Die Erntegeräte, das Silo, die Pressen, die Abfüllbehälter und sämtliche technischen Gerätschaften werden unter rabbinischer Aufsicht penibel gesäubert und dürfen auch nicht für andere Weinerzeugung oder andere Zwecke benutzt werden. Die Behälter, Rohre und Schläuche, durch die der Traubensaft fließt, müssen beispielsweise vor der Benutzung mindestens dreimal mit Wasser durchgespült werden.
Anders als bei Bioweinen, bei denen lediglich der Anbau unter bestimmten ökologischen Gesichtspunkten erfolgt, wird beim koscheren Wein auch die Verarbeitung streng kontrolliert.
Das bedeutet zum Einen, dass es verboten ist, Zusatzstoffe zuzuführen (Enzyme, Bakterien, Zucker, Schwefel oder industrielle Hefen); allein die auf der Schale befindlichen Hefepilze regen hier die Fermentation an.
Auch der Einsatz von Gelatine, Kasein zur Klärung und Stierblut als Farbstoff sind unzulässig, sie würden den Wein trefe machen – denn Gelatine besteht aus Knochen und Kasein ist ein Abfallprodukt der Milchwirtschaft (schließlich muss der Wein zu milchigen und fleischigen Speisen gereicht werden können).
Bei der Klärung und dem Filtrieren des Weins sind lediglich Hühnereiweiß (parve), Papierfilter oder gebrannte Erde zulässig.
Weiterhin dürfen auch die Flaschen nur einmalig abgefüllt werden und der Winzer ist verpflichtet, zwei Prozent der Weinerzeugung zugunsten Armer abzugeben. Es darf nicht am Schabbat gearbeitet werden, und Personen die bei der Weinbereitung – der Vinifizierung – tätig sind, müssen den Schabbat einhalten und ehren.
Eine Besonderheit ist auch der »Jaijn mewuschal«: ein Wein – Lo Mewuschal, also nicht mewuschal – , der von einem Nichtjuden ausgeschenkt wird, gilt orthodoxen Juden als nicht mehr koscher. Wurde er zuvor bei der Herstellung jedoch kurz auf 80 bis 90 Grad erhitzt, bleibt er »rein«, egal, wer ihn ausschenkt. Dieser Wein, bei dessen »Blitz-Pasteurisierung« auch die Keime abtötet werden, wird als »mewuschal (»gekocht«) bezeichnet.
Roman Kovar, der sowohl Prosecco Bellenda aus Venezien importiert oder Sepharad und Terras de Belmonte aus Portugal als auch viele Sorten aus Frankreich und Spanien, berichtet, dass es seit den 1990er Jahren auch koschere Weine aus Deutschland gibt, zum Beispiel einen Pinot Noir namens »Nagila« von der Genossenschaft »Winzer von Erbach« im Rheingau, der um die 18 Euro kostet. Ähnliche Qualität könne man trotz der aufwändigen Herstellung aber auch schon für die Hälfte aus Marokko, Domaine Zayane, bekommen, meint Weinkenner Kovar. Und koschere Weine gibt es schon ab unter sieben Euro (die gängigen Carmel-, Barkan- oder Golan-Weine aus Israel auch in Berliner Supermärken wie »Ullrich« – aber Achtung: nicht jeder israelische Wein ist auch koscher).
80 Prozent der Konsumenten koscherer Weine in Deutschland sind nichtjüdisch, weiß Roman Kovar, und das nicht etwa, weil der Wein koscher ist, sondern weil er gut ist und man sich darauf verlassen könne, dass er nicht – womit auch immer – »gepanscht« ist, was man in Zeiten der Massenproduktion trotz aller EU-Normen nicht mit Sicherheit von jedem Wein sagen kann. »Ich selbst trinke seit einigen Jahren nur noch koscheren Wein – man schmeckt die sorgfältige Herstellung und bekommt mit Sicherheit keinen Kater oder schweren Kopf davon«, sagt Roman Kovar und verrät, dass er sogar seinen eigenen Wein mitbringt, wenn er zum Essen ins Restaurant geht.
So begeistert wie der Importeur selbst sind auch seine Kunden vom koscheren Wein. Einer schwärmt im Internet über einen Chardonnay: »…im Licht schimmert er tatsächlich klar und kostbar wie reines Gold… Mit diesem Wein haben Sie es tatsächlich geschafft, einen reinen Rotweingenießer von Weißwein zu begeistern!« Und eine andere Kundin fragt über einen 2001-er Merlot: »Was ist da drin?????... Es kommt einem vor als hätte man eine wunderbare Droge genommen.«
Judith Kessler
jüdisches berlin
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