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»Therapeutisches Freuen«

01.März 2020 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage

Gedanken zu Purim 5780 von Gemeinderabbiner Jonah Sievers

Die Geschichte, die dem Purim-Fest zugrunde liegt, ist hinlänglich bekannt. Haman versucht, alle Juden im Persischen Reich zur Zeit des Königs Achaschwerosch zu vernichten. Dies wird jedoch gerade noch rechtzeitig durch den Einsatz von Esther und ihrem Onkel Mordechai verhindert. Auch werden Haman und seine Söhne zur Rechenschaft gezogen. Es erfolgt daraufhin aber eine Reaktion, die nicht ganz einfach ist. Im Überschwang der Gefühle nimmt das Volk Rache und tötet, so lesen wir im 9. Kapitel, mehrere hundert Personen. Es verwundert nicht, dass es einige liberale Gemeinden gab und gibt, die Purim aus diesem Grund nicht feiern.
Eine mögliche Erklärung meines Lehrers Dr. Jeremy Schonfield hat mich seit der Studienzeit begleitet und seine Wirkung bis heute nicht verloren: An Purim verschwinden Grenzen, wir trinken, wir verkleiden uns, wir machen Dinge, die wir sonst nicht machen würden und geben uns Gefühlen hin, die wir eigentlich nicht haben sollten. Auch könnten wir mit Jonathan Sacks fragen, warum wir uns zu Purim freuen, ja, dies schon den ganzen Monat Adar tun sollten, wo doch eher Erleichterung die zu erwartende Emotion sein sollte.
Unsere Tradition ist weise genug, so mein verehrter Lehrer Dr. Schonefield, einzusehen, dass wir Menschen sind und es eines Ventils bedarf, um in einem kontrollierten Umfeld all diesen Gefühlen und Emotionen nachzugeben. Es ist in diesem Sinne fast eine therapeutische Freude, wie es Sacks nennt.
Gerade in diesen schwierigen Zeiten, wo die geistigen Erben Hamans immer unverhohlener ihre Fratze zeigen, ist unsere Freude an Purim die richtige Antwort. Dabei sind wir nicht weltfremd, naiv in einer Wünsch-dir-was-Welt gefangen. Wir sollten uns erinnern, dass zu Purim das ganze Volk, trotz aller Unterschiede, zusammenstand. Dieses füreinander Einstehen ist in diesen Zeiten von besonderer Wichtigkeit.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien
Purim Sameach!
Gemeinderabbiner Jonah Sievers


Am 13. Adar, am 9.3.2020 ist Taanit Esther. Dieses ist ein Halbfastentag, d.h., man darf von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen.
 
Zu den Mizwot an Purim gehören:
a) die Megillah am Abend und am Morgen von Purim zu hören.
b) mindestens zwei Bedürftigen Zedaka zu geben.
c) Mischloach Manot – jemandem eine Sendung aus mindesten zwei Speisen zu schicken.
d) Seudat Purim – eine festliche Mahlzeit abzuhalten.
 
Einer der bekanntesten Bräuche ist, sich zu verkleiden und ausgelassen zu feiern. Auch wird während der Lesung der Megilla, jedes Mal, wenn der Name Haman genannt wird, Krach gemacht.
 
Ein Arbeitsverbot wie zum Schabbat oder Jom Tow gibt es nicht.

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