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Wir sind kein Partyverein

Jonas Fegert im Interview über Studentim, die neue Jüdische Studierendeninitiative in Berlin

jb: Jonas, Du bist 21, Politikwissenschaftsstudent an der FU und studentischer Mitarbeiter im Bundestag und jetzt auch Vorsitzender des neuen Studentenverbandes … Wie kam es zu der Neugründung?
Jonas: Studentim befindet sich immer noch in Gründung, dazu komme ich gleich. Aber von vorne … Begonnen hat alles Anfang letzten Jahres. Nach unserem Schulabschluss an der Jüdischen Oberschule haben Benjamin Fischer und ich viel darüber nachgedacht, wie wir über unsere Freundschaft hinaus miteinander und auch mit anderen noch in Kontakt bleiben können. Wir haben immer wieder über den Jüdischen Studentenverband Berlin (JSB) nachgedacht und dann daraufhin Kontakt zur Gemeinde geknüpft. Maya Zehden hat dann mit allen Interessenten ein Treffen organisiert und so kamen auch Lina Roisenwasser, Selina Zehden, Mike Delberg und später Nicholas Palenker dazu. Zuerst wollten wir den JSB wiederbeleben. Wir mussten dann aber feststellen, dass dieser praktisch nicht mehr vorhanden war. Außerdem hinterließ er Schulden und Probleme, die wir nicht übernehmen wollten. Daher entschlossen wir uns, einen neuen Verband zu gründen, der sich aber an dem Angebot und der Idee des alten Verbands und an der langjährigen Studentenverbandstradition (seit Ende der 60er Jahre) in Berlin und Deutschland orientiert. Es war schade, dass diese Tradition abgebrochen war, gerade wo es sowieso wenig Angebote für Juden und explizit Studenten zwischen 18 und 35 gibt.
Es war dann also doch viel mehr Arbeit als geplant…?
Auf jeden Fall … Es war uns vorher nicht ganz bewusst, wie viel Arbeit da auf uns zukommen würde. Es musste Geld für das Gründungskapital besorgt werden, eine stabile Satzung aufgesetzt werden, die sich hoffentlich lange bewährt, man muss zu einem Notar, es muss ein Raum gefunden werden, der muss eingerichtet werden und so weiter … Jeder von uns hat sich nicht nur ideell sondern auch praktisch, materiell eingebracht, mit Möbeln zum Beispiel. Wir wollten damit auch der Gemeinde zeigen, dass wir uns auch persönlich engagieren, etwas beitragen, Verantwortung übernehmen und nicht nur »Nehmer« ihrer Unterstützung sein wollen.
Ihr werdet von der Gemeinde unterstützt, seid aber keine Gemeindeinstitution, richtig?
Richtig. Wir sind dem noch amtierenden Vorstand unter Lala Süsskind sehr dankbar, dass er unsere Idee so interessiert aufgenommen hat und uns finanziell und ideell, so gut es geht unterstützt. Wir sehen uns als gemeindenahe Organisation, sind aber überparteilich und unser Vorstand haftet persönlich. Der Vorstand besteht aus fünf Personen: einem Vorsitzenden, zwei Stellvertretern, einem Schatzmeister und einem Beisitzer. Jeder im Vorstand hat darüber hinaus ein bestimmtes Aufgabenfeld, um dass er sich kümmert. Das geht von politischen Fragen, die ich betreue, über jüdisches Leben/Religion bis hin zu Öffentlichkeitsarbeit und kulturellem Leben. Wir haben eine ideale Mischung aus »alten Gemeindehasen«, die bereits den Jüdischen Kindergarten, dann die Heinz-Galinski-Schule und das Jugendzentrum besucht haben und damit unglaublich viel Erfahrung mitbingen, und den relativen »Neulingen«, die ihrerseits noch mehr frischen Wind mitbringen.
Die Gemeinde stellt uns für unsere Veranstaltungen und als Verbandssitz einen Raum in der Oranienburger Straße zur Verfügung. Der ist 48 qm groß und eignet sich allein schon super für Treffen und Veranstaltungen. Er musste »nur« noch renoviert und bestückt werden. Das war eines unserer ersten Projekte nach den bürokratischen Angelegenheiten.
Zu den bürokratischen Dingen gehörte es ja auch, einen Namen zu finden. Ihr habt Euch für »Studentim – Jüdische Studierendeninitiative Berlin« entschieden. Wie kam es dazu?
Na ja, es gab ein paar Ideen. Wir wollten etwas Modernes, Junges … was aber auch etwas von seinem Vorgänger, dem JSB, aufgreift. Jüdische Studierendeninitiative Berlin, ebenfalls JSB abgekürzt, stellt diese Verbindung her. Studentim ist griffig und »frisch«. Die Hebräisierung stellt den jüdischen Bezug her und wir hoffen auch, damit israelische Studenten für uns interessieren zu können. Schließlich gibt es jede Menge von ihnen in Berlin.
Wie wird das Angebot von Studentim aussehen?
Wir haben viele Ideen und sind auch für weitere immer offen. Wir denken da an Filmabende mit anschließenden Diskussionen zum gesehenen Thema, Podiumsdiskussionen mit interessanten Gästen oder auch Ausflüge und Taglit-Reisen. Gemeinsames Feiern soll natürlich auch nicht zu kurz kommen, aber wir sind eine Studierendeninitiative und kein Partyverein. Der Fokus liegt darauf, uns auf einer intellektuellen, aber lockeren Ebene ganz speziell mit Themen auseinanderzusetzen, die jüdische Studenten interessieren und bewegen. Wichtig sind uns auch Kooperationen mit anderen Organisationen und Institutionen, so zum Beispiel dem Studienwerk ELES und der Gemeinde. Wir könnten speziell unter dem jungen Leuten die Bindung an die Gemeinde stärken, so können wir uns gegenseitig unterstützen.
Ihr seid ein jüdischer Studentenverband. Wie ist »jüdisch« bei Euch definiert? Wer darf mitmachen und was muss er dafür tun?
In unserer Satzung ist festgeschrieben, dass man auch Mitglied werden kann, wenn man nicht halachisch jüdisch ist. Wir sind ein kultureller, gesellschaftlicher Verein, kein ausgesprochen religiöser, und daher offen für alle – im Übrigen nicht nur Studenten, sondern auch Azubis –, die ihre jüdische Identität, welchen Hintergrunds auch immer, stärken und mit anderen Juden in Kontakt bleiben oder kommen wollen. Wir werden dabei nicht urteilen, wer »wirklich« jüdisch ist und wer nicht. Wer sich jüdisch fühlt, ist willkommen. Man muss nur einen Antrag auf Verbandsmitgliedschaft stellen. Es wird ein symbolischer Beitrag von 12 Euro im Jahr erhoben. Allerdings kann man da immer etwas machen, wenn jemand das nicht leisten kann. Wir möchten keinen ausschließen, weil er die finanziellen Möglichkeiten nicht hat. Die Veranstaltungen sind offen für alle, auch für Nicht-Mitglieder. Allerdings hat man natürlich nur als Mitglied Mitspracherecht und darf den Vorstand wählen oder auch selber kandidieren. Jeder ist gefragt, sich einzubringen. Als kleinen Anreiz haben wir uns vorgenommen, Neumitglieder mit einem »Starterpaket« zu begrüßen. Was dort alles drin sein wird, ist ein Überraschung… wir wollen ja nicht zu viel verraten.
Da ihr noch in Gründung seid, kann man momentan noch nicht beitreten, aber sobald das Gründungsprozedere abgeschlossen ist, kann es doch losgehen, oder?
Ja, klar! Wir bekommen jetzt auch schon mehrere Anfragen pro Woche. Darunter sind auch Mütter und Tanten, die für ihre Kinder anfragen, und schon einige Israelis. Leider hat sich die Gründung ein wenig verzögert, aber bald geht es los. Wir werden dann demnächst eine Homepage und ein Facebook-Profil haben. Dort oder auch auf der Gemeindehomepage kann man alle Infos bekommen.
Gibt es noch etwas, dass Du unbedingt loswerden möchtest?
An alle jüdischen Studenten und Azubis zwischen 18 und 35: Unbedingt mitmachen! Wir freuen uns über jeden, der dabei sein möchte, unserer Generation eine jüdische Stimme zu geben.

Das Gespräch mit Jonas Fegert führte Nadine Bose.

Das Interview erschien in der Februar-Ausgabe des "jüdischen berlin" (jb Nr. 141).